Garten in Gefahr

Drehorte HAYMATLOZ Heute

Der Botanische Garten in Istanbul


Die AKP-Regierung macht sich weiter daran, das historische Erbe des Landes zu vernichten.
Die Embleme der Atatürk-Ära, die immer auch das deutsche Erbe in der Türkei repräsentieren, sollen nun nach und nach von der Erdoberfläche verschwinden!

Wie schon letztes Jahr bekannt geworden ist, wurde der von Alfred Heilbronn und Leo Brauner errichtete Botanische Garten in Istanbul klammheimlich dem Präsidium für Religionsangelegenheiten zugewiesen. Nun, direkt nach den „Wahlen“, wurde der Räumungsbefehl erteilt, berichten türkische Medien. Die offizielle Legitimierung laute, dass hier zu Zeiten des Osmanischen Reich der Sitz des Obersten Muftis gewesen sei. Folgerichtig solle nun der aktuelle Istanbuler Mufti das ca. 15. 000 Quadratmeter große Gelände mit Blick auf das Goldene Horn beziehen...
Nun residiert der Mufti ohnehin schon an dem Grundstück, in einem angrenzenden Gebäude.

Weshalb Naturliebhaber und Istanbuler Studenten der naheliegenden Universität dieser einzigen grünen Oase beraubt werden sollen, fragen sich die verzweifelten Mitarbeiter des Botanischen Instituts zu Recht.
Es ist der einzige und älteste Botanische Garten in der Türkei. Er weist einen Bestand von 400 Baumsorten und 5.000 seltenen Pflanzenarten auf. Ein Umzug dieser einzigartigen Vegetation ist offensichtlich unmöglich und bedeutet ihre böswillige Zerstörung.

Das Instituts-Gebäude, das noch auf dem Gelände genutzt wird, ist ein Entwurf des Architekten Ernst A. Egli. Wir hatten das Glück, 2014 in den wunderschönen Räumlichkeiten mit Mobiliar und Inneneinrichtung aus den 30er Jahren zu drehen.

Nicht nur die vor den Nationalsozialisten geflüchteten deutschen Wissenschaftler Heilbronn und Brauner haben sich um den Garten verdient gemacht. Die Kollegin und spätere Ehefrau von Alfred Heilbronn, die türkische Botanikerin Mehpare Başarman hat mit ihrer Forschung und Sammlung seltener Pflanzen den einzigartigen Garten bestückt.

In dem Dokumentarfilm HAYMATLOZ von Eren Önsöz sinniert der Sohn des Wissenschaftlerpärchens, Kurt Heilbronn, über Tradition und Moderne, über Veränderungen und notwendige Akzeptanz.

Doch diese Veränderungen dürfen wir nicht hinnehmen. Es handelt sich, wie die Wissenschaftler am Botanischen Institut richtig feststellen, um ein Nationales Erbe, das es zu bewahren gilt!

Hände weg vom Botanischen Garten in Istanbul!!!

 


„ Professor Alfred Heilbronn hatte sich 1914 mit nur 29 Jahren habilitiert und 5 Jahre später den Lehrstuhl für Botanik und Genetik an der Universitat Munster ubernommen. Er beherrschte außer Altgriechisch und Latein noch Englisch, Franzosisch, Flämisch und schließlich auch Türkisch. Nach der Machtübernahme der Nazis wurden ihm sein Amt als Forscher und Hochschullehrer genommen, sein Hab und Gut beschlagnahmt, da er judischer Abstammung war. Er fluchtete in die Schweiz und kam noch 1933 nach Istanbul, wo er den Lehrstuhl für Pharmako-Botanik und Genetik übernahm. Gleichzeitig leitete er das dazugehorige Institut, welches vorläufig aus Räumen in einem riesiggroßen osmanischen Schloss bestand. Seine unermüdlichen Bestrebungen nach einem zukunftsträchtigen Institutsgebaude und einem moglichst großen Botanischen Garten erzielten mehr als zufriedenstellende Ergebnisse: Die Pläne bereiteten Professor Heilbronn und sein Schicksalsbruder nach Münsteraner Gemeinsamkeit, Professor Leo Brauner, der eine Professur für Allgemeine Botanik in Istanbul innehatte, gemeinsam vor. Sie überzeugten die Behörden davon, dass eine zeitgemäße naturwissenschaftliche Lehre und Forschung entsprechende raumlich- technische Bedingungen erfordere. Im Juni 1937 wurde schließlich ein musterhaftes Institut sowie ein hervorragender “hortus botanicus Istanbulensis””, der seit dem Jahre 2003 offiziell „Alfred-Heilbronn- Garten“ heißt, in Betrieb gesetzt. Diesen fur unser Land unglaublich schnellen Aufbau eines früher nicht vorhandenen, nun prächtigen, gut funktionierenden Instituts haben wir einerseits den modernisierungsfreudigen, sozial engagierten Staatsmännern erster Generation der jungen Türkischen Republik, andererseits ebenso Professor Heilbronn und seinen engen Mitarbeitern, den Professoren Leo Brauner und dem schweizerisch-osterreichischer Architekten E. A. Egli zu verdanken. Also, Professor Heilbronn hat sich nicht nur durch seine Lehrtätigkeit, seine turkischen Bücher und Artikel und seine vielen Forschungsarbeiten in der türkischen und internationalen Fachwelt verdient gemacht, sondern hat auch jedermann sichtbare konkrete Spuren hinterlassen.“

Prof. Dr. Metin Özek ( In: „Exilmediziner“, Herausgeber: Reiner Mockelmann Generalkonsul a. D. „Exil und Gesundheitswesen: Deutsche Mediziner in der Turkei ab 1933“ Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Istanbul 2006 )